Offener Brief an den Bundeskanzler

 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

jeder Mensch ist gleich. Jeder Mensch hat den gleichen Wert. Es steht uns nicht zu, Menschen in wertvoll und nicht wertvoll zu unterteilen. Gemäß diesem Grundsatze war ich gespannt, wie Sie sich in Ihrer neuen Rolle verhalten würden. Ich bin nicht nur enttäuscht, ich bin entsetzt.

Ich darf Sie zitieren:
„Wir werden es uns nicht gefallen lassen, dass eine winzige Minderheit von enthemmten Extremisten versucht, unserer gesamten Gesellschaft ihren Willen aufzuzwingen.“

Es klingt fast so, als ob Sie von sich und der neuen Regierung sprechen würden. Wenige herrschen hier über Viele, und enthemmt ist die Politik allemal, auch wollen Sie uns ihren Willen aufzwingen.

Würden Sie von sich sprechen, so wäre ich etwas beruhigter, da ja Einsicht bekanntermaßen der erste Schritt zur Besserung sein kann.

Sie urteilen hier über Menschen. Nicht über eine winzige Minderheit, sondern über mehrere Millionen. Und selbst wenn es eine Minderheit wäre, so sollte auch diese Gehör finden. Sie urteilen sie ab, Sie verurteilen diese, sie drohen.

Aber gut, was soll man von einem Mann erwarten, der selbst zugibt, dass es für ihn keine roten Linien gäbe, dass er also bereit wäre alles zu tun, was er selbst für nötig erachtet, vielleicht eben auch ohne Rücksicht auf Verluste? Ich hoffe sehr, dass ich Sie hier missverstanden habe, aber mit dieser Rhetorik wurde bereits eine rote Linie überschritten.

Was uns Menschen einen sollte sind Ethik, Werte und Moral. Dazu gehört auch, Versprechen zu geben, die man halten kann und zu seinem Wort zu stehen. Sie allerdings brechen ihre Versprechen in Rekordzeit. Ich wurde so nicht erzogen.

Können Sie sich im Spiegel betrachten?

Wie kommen Sie dazu, über mich zu urteilen? Sie kennen mich nicht, sie wissen nichts über meine Sorgen, meine Gedanken, meinen Bildungshintergrund und mein Leben, es interessiert Sie allem Anschein nach auch nicht. Das finde ich sehr traurig und erschreckend, denn auch ich bin Bürgerin dieses Landes, auch ich zahle Steuern, auch ich habe Grundrechte.

Ich habe mir über Sie mein Urteil gebildet. Anders als Ihnen, die Sie über mich urteilen, standen mir hierfür genügend Aussagen und Verhaltensweisen zur Verfügung.

Es tut mir leid, so offen sein zu müssen, aber ich kann keinen Respekt vor Ihnen empfinden, vielmehr macht sich eine tiefe Abneigung breit. Das wiederum macht mich traurig.

Sollten Sie diesen Brief zu Ende gelesen haben, was ich zu bezweifeln wage, so dürfen Sie sich gerne ein Urteil über mich bilden. Ich versuche, es Ihnen ein wenig leichter zu machen. Ich verfüge über ein abgeschlossenes Hochschulstudium, habe tatsächlich 2 Harvard-Zertifikate, bin Autorin mehrerer Fachbücher, Soziologin, lehne Diskriminierung und Radikalismus zutiefst ab und betrachte Menschen als wertvoll, ganz gleich woher sie kommen, welche Hautfarbe sie haben und welcher Religion sie angehören.
Menschen sinken dann in meinem Ansehen, wenn sie sich nicht ethisch verhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Nadine Rebel

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