Der Bundespräsident

Um es vorwegzunehmen: Ich bin nicht besonders politisch bewandert. Als „dumm“ oder „ungebildet“ würde ich mich aber dennoch nicht bezeichnen. Einen Lebenslauf als Legitimation anzuhängen, spare ich mir.

 

Welche Rolle hat für mich also der Bundespräsident? Der Bundespräsident hatte für mich immer eine Art mahnende, ausgleichende und deeskalierende Rolle einzunehmen. Wie ein Vater/ eine Mutter, ein Großvater/ eine Großmutter einer großen Familie. Wenn alle durchzudrehen drohen, dann ist es seine Funktion, an die fundamentalen Werte zu erinnern und alle wieder zur Besinnung zu rufen.

 

Grundrechte und Verfassung sind dabei die unumstößlichen Stützpfeiler jeder Argumentation. Ein Bundespräsident versucht dabei, so wenig wie möglich Partei zu ergreifen, wenn es keine Partei zu ergreifen gibt. Ein Bundespräsident beobachtet die Entwicklungen genau und seine Rede befeuert keine Hysterie. Auf keiner Seite.

 

Der Bundespräsident ist Vater volljähriger Kinder. Diese können, im Rahmen der Gesetze, für sich selbst entscheiden. Der Bundespräsident wählt seine Worte weise und mit Bedacht. Er ergreift nicht Partei und verurteilt niemanden.

Was würde ich mir also in der jetzigen Situation von einem Bundespräsidenten erwarten. Bestimmt nicht, dass er der Aushebelung von Grundrechten den Boden ebnet und wider einiger wissenschaftlicher Erkenntnisse nur einer Seite Recht gibt.

 

Was wäre das für ein Vater, was wäre das für eine Mutter, die den Streit ihrer Kinder beobachtet, und dann für eines der Kinder Partei ergreift, während das andere „geopfert“ wird?

Kein guter Vater, keine gute Mutter würde das tun, vor allem dann nicht, wenn sich keines der Kinder etwas zuschulden hat kommen lassen.

 

Mahnende Worte? Ja. Ein bisschen Zurechtrücken des Denkens? Ja.

Ein Aufruf, in einer Demokratie die freie Meinungsäußerung weiterhin zu achten? Ja.
Der Hinweis darauf, dass man sich auf das besinnen sollte, was uns alle eint oder einen sollte – die Menschlichkeit? Ja, in jedem Fall.

 

Und selbst wenn ein Vater oder eine Mutter die Sichtweise eines der Kinder etwas besser nachvollziehen kann, so ist es doch die Aufgabe und eine liebevolle Selbstverständlichkeit, keines der Kinder zu bevorzugen oder mehr zu lieben.

Dass diese Aufgabe hohe Anforderungen stellt, und dass Weisheit auch bedeutet, sich selbst diplomatisch nicht so wichtig zu nehmen, um Einheit zu vermitteln und Deeskalation voranzutreiben, versteht sich von selbst.

 

Ob unser Bundespräsident das tut, diese Frage darf sich nun – ganz im Sinne der Diplomatie – jede Person selbst beantworten.

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