Metoo 2.0

 

#metoo2.0

Wahrscheinlich ist es dünnes Eis, auf welches ich mich begebe. Wahrscheinlich ist es ein Vergleich, bei welchem der ein oder andere Mensch (m,w,d) meint, man dürfe ihn nicht ziehen. Wahrscheinlich sind einige sogar der Meinung, ich würde dadurch die Menschen diskreditieren. Eigentlich müsste ich mich nicht erklären und ich muss auch nicht mit einem Disclaimer beginnen, ich tue es dennoch: Ich kann sehr wohl mitreden und ich weiß, wovon ich spreche. Punkt. Das muss genügen.

Warum bin ich also der Meinung, dass wir eine zweite #metoo Bewegung starten könnten?

Auch heute können schon viele Personen mitreden. Sie können davon erzählen, wie man sich fühlt, wenn man zu etwas gedrängt werden soll, was man nicht will. Sie wissen, wie sich Sorgen, Nöte, Zwang und Druck anfühlen. Auch diese Menschen müssten doch nur kurz etwas über sich ergehen lassen, um gesellschaftlich und beruflich weiterzukommen. Sie müssen doch nur willig sein. Für diese übergriffige Verhalten existieren genug Rechtfertigungen und Entschuldigungen. Die, die sich so „zickig“ verhalten, werden nicht ernst genommen.

Ich finde durchaus, dass man hier Parallelen erkennen kann.

 

Wie alles anfing

Ein Medienmogul und sein Fehlverhalten gegenüber weiblichen Schauspielerinnen rückten im Oktober 2017 in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Es folgte eine weltweite Debatte, geführt unter dem Hashtag #metoo, die die sexuelle Belästigung und Gewalt gegenüber Frauen thematisierte. Der Medienmogul wurde im Januar 2020 zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt. Es war allerdings nicht nur dieser Einzelfall, sondern die millionenfachen Rückmeldungen betroffener Frauen. Nach den ersten Enthüllungen forderte die Schauspielerin Alyssa Milano via Twitter auf, ihren Beitrag mit dem Hashtag #metoo zu kommentieren, um zu zeigen, wie viele Frauen betroffen waren und sind. Innerhalb der nächsten 24 Stunden wurde der Hashtag weltweit über 500.000 mal auf Twitter und über 12 Millionen Mal auf Facebook genutzt.

Die Bewegung deckte sexistische Strukturen und Machtmissbrauch auf.

 

Welcher Hashtag wäre es heute?

Gewalt und Machtmissbrauch sehen wir auch heute, aber die meisten machen mit. Und weil die Mehrheit mitmacht, finden die, die sich (wieder – wenn auch auf andere Art und Weise) angegriffen fühlen, sich bedrängt fühlen, gedrängt werden, deren Grenzen missachtet werden, über deren Körper entschieden werden soll, kein Gehör.

Das System dahinter

Die hervorragende Metoo-Bewegung weckte auf. Sie zeigte, dass es sich nicht um Einzelfälle handelte und handelt, sondern dass dahinter häufig ein System steht, welches Abhängigkeiten ausnutzt und wo Macht missbraucht wird. Eine neue Ära des Feminismus wurde eingeläutet.

 

Ich weiß nicht mal, ob ich mich als Feministin bezeichnen würde, denn manchmal finde ich, dass auch hier die Ausprägung sehr seltsame und bedenklich Züge annimmt. Und ja, ich kann auch die Gegenbewegung und die Sichtweisen mancher Männer verstehen, die sich nur ihrerseits in die Ecke gedrängt fühlten und teilweise Angst hatten, sich mit einer Frau allein im Aufzug zu befinden. Dazu aber später mehr.

Hab‘ dich doch nicht so

Es war gut, was hier passierte, denn es ist nicht in Ordnung, dass man sich einfach so antatschen lassen muss, es ist nicht okay, wenn Zoten erzählt werden und es ist nicht okay, wenn man einen Übergriff damit rechtfertigt, dass die provokante Kleidung einer Frau doch quasi eine Einladung darstellte. Es war gut, dass diese falschen Sichtweisen an den Pranger gestellt wurden.

 

Und heute?

Hab‘ dich nicht so. Ist doch nur ein kleiner Pieks. Sind doch nur 2 kleine Piekse. Du machst es nicht für dich, sondern als gesellschaftliche Pflicht. Es ist ein Akt der Solidarität.

 

Nachwuchs zu produzieren und den Akt, gewollt oder nicht gewollt über sich ergehen lassen zu müssen, galt auch mal als Akt der Solidarität, bzw. als eheliche Pflicht. Ob frau wollte oder nicht, die Ehe muss vollzogen werden.

 

Charly Brown

Natürlich finde ich das Bild jetzt nicht, welches ich vor ein paar Tagen sah. Charly Brown und Lucy sitzen auf einem Steg am Seeufer. Charly Brown sagt zu Lucy, es wäre ein Akt der Liebe, sich impfen zu lassen. Lucy sagt hierauf, dass ein aufgezwungener Akt der Liebe aber Vergewaltigung sei.

Hart ja. Das gebe ich zu. Aber leider wahr, wie ich finde.

 

Nein heißt Nein

In Folge der Metoo-Kampagne wurde die Gesellschaft sensibilisiert. Ein Nein zu respektieren sei wichtig. Man dürfe sich nicht übergriffig verhalten. Die Wünsche anderer wären zu respektieren. Übergriffigkeit und Respektlosigkeit würde bereits mit der Verwendung „falscher“ Worte beginnen. Die Grenzen der anderen Person seien zu respektieren.

 

Jede Bewegung hat Schattenseiten: Der Pence-Effekt

Wenn man nicht mehr Maß und Ziel im Auge behält, dann kippt jede noch so gute Bewegung. Im Falle der Metoo-Kampagne wurde dieser Effekt wie folgt beschrieben: Bereits Ende 2018 äußersten sich männliche Führungskräfte der Wall-Street zu ihren Empfindungen. Es würde ihnen ähnlich ergehen wie Mike Pence (damaliger US-Vizerpräsident – daher der Name), der verlauten hatte lassen, dass er mit keiner anderen Frau mehr zum Essen gehen würde als mit seiner eigenen Ehefrau. Die Führungskräfte sagten nun, sie würden sich unbehaglich fühlen, wenn sie mit weiblichen Mitarbeiterinnen allein wären. Sie hätten Angst vor Gerüchten. So verloren einige Frauen ihre männlichen Mentoren. Gut, hier kann man die Frage stellen, es nicht eine generelle und zusätzliche Problematik ist, wenn Frauen männliche Mentoren brauchen würden, aber das würde uns vom Thema abbringen.

 

Die Mehrheit und die Minderheit

Heute scheint es die Mehrheit als gut zu empfinden, Teil des Machtmissbrauchs zu sein und persönliche, körperliche Grenzen anderer Menschen zu missachten. Und weil es die Mehrheit (scheinbar?) als gut empfindet, fühlen sich mehr und mehr Menschen missachtet, ausgegrenzt, seelisch und körperlich bedrängt. Auch das ist eine Form von Vergewaltigung.

 

Respekt

Ein System des Machtmissbrauchs liegt dann vor, wenn die mächtigen Menschen beschließen, andere auszugrenzen. Wenn die körperliche Unversehrtheit kein Grundrecht mehr ist, dann sind wir in einer Zeit angekommen, die wahrlich eine zweite Metoo-Kampagne nötig erscheinen lässt.

Viele sehen die Moral und das Recht auf ihrer Seite. Aber Sichtweisen können auch falsch sein, dann müssen sie aufgedeckt werden.

 

#metoo2.0

 

Links:

https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/themenschwerpunkt-metoo-100.html

https://de.wikipedia.org/wiki/MeToo

 

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