Offener Brief an unseren Gesundheitsminister

Brief an den Gesundheitsminister

 

Jens Spahn

Mitglied des deutschen Bundestages

Platz der Republik 1

11011 Berlin

Augsburg, 06.08.2021

Sehr geehrter Herr Spahn,

ich bin mir sehr wohl bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit, auf diesen Brief eine Antwort zu bekommen, gering ist. Sie haben bisher auf keinen meiner Briefe geantwortet.

In Erwartung eines schlechten Ergebnisses gut gemeinte Versuche zu unterlassen, wäre allerdings bereits eine Art Vorurteil und somit falsch. Also ver(sch)wende ich meine Zeit erneut für diese Zeilen.

Ich beziehe mich auf einen Kommentar von Christian Grimm, der am 04.08.2021 in der Augsburger Allgemeinen veröffentlicht wurde (https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Kommentar-Jens-Spahn-geht-mit-seinen-Plaenen-fuer-Ungeimpfte-zu-weit-id60264506.html) und auf einen Bericht, der dort am 05.08.2021 zu lesen war (https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Einschraenkungen-fuer-Ungeimpfte-Kritik-an-Plaenen-von-Spahn-id60266841.html ).

Hier wird davon gesprochen, dass Sie sich mit dem Gedanken tragen, dass Ungeimpfte Personen in der kalten Jahreszeit kein Restaurant oder Fitnessstudio mehr betreten sollen dürfen, ganz gleich, ob sie getestet sind, oder nicht.

Selbst ein negatives Testergebnis soll, geht es nach ihren Plänen, ungeimpften Personen nicht die Möglichkeit bieten, sich frei zu bewegen.

Warum? Sind die Tests so unzuverlässig? Und wenn ja, warum führt man sie dann überhaupt durch?

Und wenn die Tests zuverlässig sind, wie kommen sie dann darauf, eine ganze Personengruppe diskriminieren zu wollen?

Somit stellen Sie eine ganze Gruppe von Personen unter Generalverdacht, weil von dieser Gruppe eine Gefahr ausgehen könnte.

Ich meine, das kann man mit dem Wort „Diskriminierung“ betiteln. Obwohl sie nichts über die Hintergründe wissen, obwohl sie nicht wissen, ob von diesen Menschen überhaupt eine Gefahr ausgehen könnte, obwohl es Möglichkeiten gibt, zu beweisen (Tests), dass von diesen Menschen keine Gefahr ausgeht, möchten sie die Menschen vom Leben ausschließen.

Ich bin verzweifelt. Diese Verzweiflung treibt mich dazu, Themen aufzugreifen, die Privatsache sind, die hier aber den einzigen Vergleich bieten könnten, den sie vielleicht zu verstehen bereit sind.

Sie sind verheiratet mit dem Menschen, den sie lieben. Das ist schön.

Sie haben einen Ehemann. Warum ist das heute möglich? Weil es vor Ihnen viele Menschen gab, die sich dagegen aufgelehnt haben, dass Personen, nicht diskriminiert werden dürfen, weil sie einen anderen Lebensentwurf haben als andere. Das ist richtig so. Das war einmal anders.

Menschen, die nicht dem „gängigen“ Bild entsprachen, wurden ausgegrenzt, sie wurden diskriminiert, man betitelte sie mit allen möglichen und unmöglichen diffamierenden Bezeichnungen. Schrecklich.

Wir kämpfen heute um Toleranz, Respekt und Anerkennung der Vielfältigkeit. Wir kämpfen gegen Rassismus und Sexismus.

Die Früchte der Kämpfe gegen die Diskriminierung von Homosexuellen ernten und essen sie. Lassen sie es sich schmecken! Es steht ihnen zu.

Aber es gab eine Zeit, in der man der Meinung war, die Gefahr der Viruserkrankung AIDS würde maßgeblich durch homosexuelle Personen erhöht.

Versetzen wir uns gemeinsam in diese Zeit zurück und betreiben wir ein krudes Gedankenexperiment: Eine Person, die ein wichtiges Amt bekleidet, beispielsweise das des Gesundheitsministers, betrachtet die vermeintlich von Homosexuellen ausgehende Gefahr. Diese Person kommt zu dem Schluss, dass hier eine Gefahr für andere besteht. Argumente, die medizinisch belegen, dass diese Annahme falsch ist, lässt die Person nicht gelten. (Selbst negative getestete ungeimpfte Personen, sollen ausgeschlossen werden).

Diese Person schlägt vor, dass jede Person, die homosexuell ist, nicht mehr am öffentlichen Leben teilhaben darf. Sie darf auch keine anderen Personen mehr berühren oder sich mit nicht homosexuellen Personen treffen.

Wie würden sie sich fühlen?

Abschließend möchte ich in aller Deutlichkeit darlegen, dass ich diesen harten Vergleich nur gewählt habe, weil ich mir anders nicht mehr zu helfen weiß.

Wir haben doch Tests. Wir wissen doch, dass auch Geimpfte die Krankheit übertragen können. Wir halten uns doch alle an die AHA-L Regeln. Wieso also kommen sie darauf, den Gedanken überhaupt laut auszusprechen, hier Personengruppen einsperren zu wollen?

Haben Sie so wenig Empathie, dass Sie nicht nachvollziehen können, dass sie hier selbst die gleiche Art von Diskriminierung betreiben, deren Opfer sie selbst noch vor einigen Jahren oder Jahrzehnten gewesen wären?

Es ist gut, dass Menschen gleich welcher Ethnie, gleich welcher Hautfarbe, unabhängig ihrer Religionszugehörigkeit und unabhängig des Lebenspartners/der Lebenspartnerin, die sie gewählt haben, mit gleichem Respekt behandelt werden. So soll es sein. Das ist menschlich und würdevoll.

Ihre Gedanken sind es, meiner persönlichen Meinung nach, leider nicht.

Mit freundlichen Grüßen

 

Nadine Rebel

 

Am 10.08.2021 erhielt ich folgende Antwort


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