Falsche Vergleiche und Kollektivschuld
Ich wusste bisher nicht, dass ich so wichtig bin und nicht nur die Last der
Welt auf meinen Schultern trage, sondern auch noch die Schuld.
Wenn ich Ärzten Glauben schenke, die warnen, so falle ich auf inkompetente
Quacksalber herein, wenn irgendwo ein Brandanschlag verübt wird, trage ich
Mitschuld.
Was vollkommen absurd klingt, ist die Argumentationslinie von Ärzten und
Politikern, zumindest von Einigen.
Nein, ich weigere mich und muss gestehen, dieses Framing, diese
Beschuldigungen, dieses „für dumm verkaufen“ führt nur noch mehr dazu, dass
meine Skepsis steigt (leider auch mein Trotz).
Gastkommentar
Walter Pirker ist Leiter der Neurologischen Abteilung der Klinik Ottakring in Wien. In einem Gastkommentar legt er seine Meinung dar. Diesen Artikel las ich spät abends am 15.09.2021, und er ließ mich nicht los. Analog zu den einleitenden Worten des Artikels beginne ich wie folgt:
Dieser Blogbeitrag ist aus persönlicher Betroffenheit entstanden und richtet sich an all jene, die anderes Denken zulassen können.
Der Artikel beginnt
mit Infektions- und Todeszahlen. Bereits im ersten Absatz kann man allerdings
lesen, dass die Dunkelziffer derer, die Covid-19 hatten, erheblich höher sein
dürfte.
Nehmen wir das als gegeben hin, so stellt sich mir die Frage, wie man von einer
sehr gefährlichen Krankheit, die man sich einfängt, nichts mitbekommen kann.
Gerade im Zuge der weiteren Argumentationslinie in der die Pest, die Pocken,
die spanische Grippe und die Masern als Vergleich herangezogen werden, muss ich
auf die oben genannte Behauptung zurückkehren. Ich glaube, aber man mag mich
gerne eines Besseren belehren, dass es wohl kaum asymptomatische Fälle der
Pest, der Masern, der Spanischen Grippe oder der Pocken gab. Insofern hinkt der
Vergleich.
Nachdem die schrecklichen Krankheiten und deren grausame Folgen eindrucksvoll beschrieben worden waren (um ein Angstszenario herzustellen?), werden die Impfstoffe angepriesen. Vollkommen richtig. Ein großer Gewinn für die Menschheit, eine segensreiche Entwicklung der modernen Medizin. Wer sollte hier etwas Gegenteiliges behaupten?
Der Autor beschreibt
weiter den Grund seines Interesses und verweist dabei auf Belletristik und die
dazugehörende Verfilmung mit dem Thema der spanischen Grippe. Für mich sind
Romane und Filme auch sehr bereichernd, ob sie allerdings in einer
wissenschaftlichen und sauberen Argumentationskette etwas verloren haben, wage
ich zu bezweifeln.
Schwerste Schäden, die Betroffene erleiden können, Behinderungen, Kinderlähmung
(die hatten wir oben noch gar nicht) – all das wird nun nochmals deutlich
beschrieben. Ja, das ist richtig. Jedes Einzelschicksal ist tragisch und sollte
nicht vergessen werden.
Hinkende Vergleiche
Nun bleibt der Autor
ein wenig am segensreichen Polio-Impfstoff hängen. Auch hier muss man ihm
natürlich auf den ersten Blick absolut Recht geben. Leider bleibt oftmals
unerwähnt, dass es auch bei der Entwicklung des Polio-Impfstoffes ganz
tragische „Pannen“ gab.
Aufgrund eines unsauber entwickelten Impfstoffes kam es 1955 zur einer
Katastrophe und 40000 Kinder wurden durch die Impfung mit Polio infiziert.
Ich persönlich fände
es einfach nur fair, auch auf Gefahren und Risiken hinzuweisen, die es gibt.
Dazu muss man sich nur die Gefahrenberichte des RKI ansehen.
Einem normal denkenden
Menschen, hier im Artikel „Laie“ genannt, fällt natürlich auf, dass die
Impfstoffe sehr schnell entwickelt wurden, was bei einigen zu Skepsis führt.
Die Erfahrung hat in vielen Bereichen gezeigt, dass mit einsetzender
Schnelligkeit oftmals die Sorgfalt zu leiden droht. Natürlich befürchtet der
Laie dies auch hier.
Das Tempo wird mit der Bereitstellung von Forschungsgeldern und der
Zusammenarbeit vieler Wissenschaftler erklärt. Gut. Dennoch stellt sich
mir die
Frage, warum es beispielsweise einen Vektor-Impfstoff gegen Ebola gibt,
der
allerdings noch keine Zulassung hat und aufgrund der zahlreichen
Nebenwirkungen
nur sehr bedingt empfohlen wird.
Und das, obwohl Ebola wesentlich gefährlicher ist, als Covid19 (darf ich
das
sagen oder bin ich dann ein C-Verharmloser?).
Widerlegbare Zahlen
Nun werden Zahlen der
Wirksamkeit dargelegt (95%), die leider mittlerweile als widerlegt gelten.
Diese Aussagen, die
nachweislich nicht (mehr) stimmen als Pro-Argument anzuführen, hinterlässt bei
mir einfach einen bitteren Beigeschmack.
Auch die Aussage, die Impfstoffe hätten keinerlei Einfluss auf das eigene
Erbgut halte ich für bedenklich, da ich mir durchaus vorstellen kann, dass wir
einfach noch nicht genug darüber wissen. Ich gebe zu bedenken, dass es 5 Jahre
dauerte, bis man auf die Idee kam, dass die zahlreichen Missbildungen, mit
denen Kinder auf die Welt kamen, deren Mütter Contergan eingenommen, etwas mit
diesem Medikament zu tun haben könnten.
Erneut führt der Autor nun wieder seine persönliche Betroffenheit an, und langsam
fängt es an, mich gewaltig zu nerven, da ich es für selbsterklärend erachte.
Auch ich habe eine „persönliche Betroffenheit“, wenn ich mir Gedanken über mein
Leben und meine zu treffenden Entscheidungen mache. Geschenkt.
Der Autor ist enttäuscht, dass viele seiner Bekannten, Nachbarn, ja Freunde es anders sehen als er selbst. Auch hier: Die Enttäuschung ist auf beiden Seiten zu suchen und zu finden.
Warum es sogar Ärzte gäbe, die von der Impfung abraten würden? Auch auf diese Frage hat der Autor eine Antwort: Er zweifelt an der wissenschaftlichen Qualifikation dieser Personen. Punkt. So einfach ist das.
Es folgt dieFeststellung, dass vermutlich nur mit der Impfung die Pandemie beendet werdenkann. Stimmt leider auch nicht.
Appell an das schlechte Gewissen
Die Ausführungen
werden garniert mit einer großen Portion des obligatorischen schlechten
Gewissens und der Behauptung, dass sämtliche spitzenmedizinischen Kapazitäten
von C-Kranken in Anspruch genommen würden, was natürlich zum Leidwesen all jener
wäre, die vielleicht auch eine Behandlung bräuchten. Daran Schuld tragen die
Ungeimpften.
Und als ob es bis hierhin nicht schon reichen würde, folgt ein weiteres
Horrorszenario. Pandemie der Ungeimpften. Überlastung der Gesundheitssysteme
(hatten wir nicht, und ich frage mich, wie wir diese denn noch haben können,
wenn so viele schon geimpft sind. Wir hatten sie ja noch nicht mal, als niemand
geimpft war.)
Wer sich diesen „Erkenntnissen“ verweigern würde, wäre mittelalterlich.
Der Autor schließt den Artikel mit der Bitte, sich doch einen „Schubs“ für den
„Pieks“ zu geben.
Ich sage dazu nichts mehr.
Wenn in China ein Sack Reis umfällt
Kaum, dass ich diesen Artikel verdaut hatte, konnte ich am nächsten Morgen lesen, dass ich gewissermaßen Mitschuld an einem Brandanschlag habe. Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion Sächsische.de schreibt in diesem Artikel:
„Wie weit sind
eigentlich manche Menschen in Sachsen gesunken? Wie weit haben sie Lügen und
Hass gebracht?
Wie immer gilt es dennoch dabei zu unterscheiden – zwischen denen, die immer
wieder „verbal zündeln“ gegen das Impfen und Geimpfte. Denen, die mit falschen
Behauptungen einige Verunsicherte, die schwanken, ob sie sich impfen lassen
sollen oder nicht, soweit treiben, dass sie den vielleicht rettenden Pieks
ablehnen, aber später womöglich schwere, bleibende Gesundheitsschäden
davontragen. Und denen, die den Hass dann mit Gewalt „vollstrecken“.
Unterscheiden sollte man die beiden Gruppen, aber Schuld an dem, was da
passiert, die tragen sie alle zusammen. Ohne Unterschied.“
Wenn ich meine Meinung äußere, wenn ich mich nicht entscheiden kann, etwas zu
tun, was andere für mich als gut erachten, dann bin ich Schuld an dem was
passiert.
Ohne Unterschied.
Sippenhaft 2021.
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