Maschine oder Mensch – was ist wichtiger?

 

Mensch oder Maschine? Leser oder Google?

Viral. Digital. Virtuell. Content. Keywords. SEO. Google.

Wenn Sie jetzt alles verstanden haben, dann wissen Sie bereits, worum es geht. Schreiben gehört zu meiner Tätigkeit. Ob es Bücher sind oder Texte für Webseiten, ob es meine ganz eigenen Gedanken sind, die fernab jeglicher SEO-Struktur geschrieben werden – bewusst – oder ob man mit den Texten ein bestimmtes Ziel verfolgen will: Heute muss man die Maschinen ebenso berücksichtigen wie den Menschen, der es lesen kann oder sogar soll.

Manchmal allerdings tritt der Mensch, seine Wünsche, Fragen und Bedürfnisse zugunsten von Google und Algorithmen so sehr in den Hintergrund, dass es fast schon sträflich ist.

Maschinen haben keine Gefühle, Menschen schon. Wenn wir anfangen, Gefühle zugunsten von Zahlen komplett zu vernachlässigen, so ist das traurig.

 

Content

Neudeutsch „Inhalt“. Ein guter Text hat Inhalt. Hier sind sich Mensch und Maschine einig. Leeres Blabla, nur um Zeilen zu füllen? Das erkennt der Mensch und Google. Das stiehlt Zeit und bringt niemanden weiter. Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann manchen Sie den Mund auf, aber denken Sie auch an den Mehrwert, den Sie Ihren Lesern bieten können oder möchten. Dieser Mehrwert ist Auslegungssache. Versetzen Sie sich in die Lage der Leser*innen und stellen Sie sich die Frage: „Und was bringt es mir, wenn ich das jetzt lese?“

Zugegeben, diese Frage stelle ich mir selbst bei meinen Blogbeiträgen auch. Doch sind meine Blogbeiträge egoistischer Content. Ich schreibe meine Gedanken auf. Andere führen Tagebuch, viele posten jeden Schritt ihrer Tagestätigkeit bei Instagram und ich schreibe jede Woche meine Gedanken auf. Ob davon jemand etwas hat? Ich weiß es nicht.

 

Wenn ich es schaffe, dass sich ein paar Leser*innen wiederfinden in meiner Gedankenwelt, wenn ein paar Menschen schmunzeln oder einen Gedankenfetzen mitnehmen und als wertvoll erachten, dann freut mich das, auch wenn ich es in den wenigsten Fällen als Feedback gespiegelt bekommen werde oder „Aufträge“ aufgrund meiner Blogbeiträge genieren werde oder kann.

 

Insofern nach modernen Gesichtspunkten nutzlos. Aber ich bin eben nicht mehr die Jüngste und werde „altmodisch“.

 

Substanz

Neben dem Inhalt ist auch die Qualität etwas, was mittlerweile nicht nur der Mensch, sondern auch Google bewerten kann. Google mag keine blumige Sprache. Google mag keine Metaphern. Google mag keine Geschichten. Menschen unter Umständen schon. Substanz ist für Google der Nährwert der Zeilen. Für den Menschen mag die Verzierung oder die Dekoration aber ebenfalls substanziell sein. Je mehr Nährstoffe komprimiert vorliegen, je weniger Tütü und Chichi, je weniger Verzierung und unnötige Worte verwendet werden, umso mehr Substanz weist der Text auf. Gut, meint Google.

 

Wenn man für Google schreibt, so tut man dies meist aus extrinsischer Motivation. Man schreibt, um damit etwas Anderes zu erreichen: Mehr Traffic, mehr Klicks auf Landing Pages, mehr Handlung nach einer „Call to Action“ Beschreibung, bessere Auffindbarkeit im Netz, höheres Ranking und vieles mehr.

 

Wenn man für Menschen schreibt, dann tut man dies meist aus intrinsischer Motivation. Man möchte schreiben, weil man meint, etwas bieten zu können und vielleicht, weil das Schreiben Spaß macht.

 

Letzteres ist natürlich nicht die beste Voraussetzung, um die oben genannten Ziele zu erreichen.
Aber es gibt Leute, die backen einfach gerne und freuen sich, wenn es jemandem schmeckt und es gibt Konditoren, die damit ihr Geld verdienen. Doch auch ein guter Konditor wird immer noch mit Leidenschaft backen und nicht nur, damit er Geld verdient.

 

Da war er wieder, der Gedanke an die Goldmarie und die Pechmarie aus dem Märchen von Frau Holle.

 

Key-Words und Algorithmen

Trigger-Punkte für Google. Das Kind beim Namen zu nennen, statt kryptisch um den heißen Brei herumzuschreiben ist wichtig. Ich finde es für Menschen wichtig und Google möchte seinen Keyword-Hunger stillen. Die 10 häufigsten Suchbegriffe müssen in einen Text verpackt werden. Dazu gibt es viele Hilfsmittel, Tools und Seiten, die bei der Analyse des geschriebenen Textes behilflich sein können.
Fakt ist: Der Mensch erkennt, ob mit einem Text in allererster Linie die Maschine bedient werden soll, oder ob er als Mensch an erster Stelle steht. Viele Google-Texte versuchen mehr oder weniger elegant und geschickt, immer die gleichen 5 bis 10 Worte zu verwenden, damit die Maschine zufrieden ist. Texte für Menschen haben das Ziel, Verständnis zu wecken, Verstehen zu ermöglichen.

 

Die Quadratur des Kreises

Genial wäre es natürlich, wenn man Beides erreichen kann: Dem Menschen das Gefühl geben, dass er genau das gefunden hat, was er gesucht hat und der Maschine auch, wobei es bei der Maschine nur Berechnung und kein Gefühl ist.

 

Ich bin der Meinung, dass gute Texte, die Menschen erreichen immer auch deren Emotionen ansprechen – in welcher Form auch immer.

Gute Texte geben etwas vom Autor oder der Autorin preis. Gute Texte lassen einen Blick hinter die Kulissen zu, wohldosiert. Gute Texte lassen Charakterzüge und das Werteystem des Schreibers/der Schreiberin erkennen. Gute Texte geben einem beim Lesen das Gefühl, dass hier ein Mensch Zeilen mit Leidenschaft verfasst.

 

Wie aber schreibt man leidenschaftlich über Autolacke oder Bohrmaschinen, Steuerthemen oder Gerichtsbeschlüsse? Das geht! Fragen Sie mal die Personen, zu deren Berufsfeld genau diese Themen gehören und die ihren Beruf lieben.

 

Bestbewertet und doch nicht gelesen

Viel hilft viel. Möglichst viele Seiten, damit der Leser sofort erkennt, dass er hier viel Content bekommt und damit Google zufrieden ist. Viele Fachbegriffe, viele Links, sehr hochgestochene Sprache, damit der Leser/ die Leserin weiß, hier sind Experten am Werk. So lassen sich am besten die Keywords unterbringen und so machen es alle anderen auch.

 

Ein Klick allein genügt nicht

„Gute Nacht, Freunde. Es ist Zeit für mich zu gehen.“ (Reinhard Mey) Nicht mal die Länge einer letzten Zigarette. Okay, politisch auch unkorrekt und den Song kennt wahrscheinlich kaum mehr jemand. Viele Leser und potenzielle Interessenten und Interessentinnen bleiben nur für einen „Abschiedsklick“. Ja, die Seite klingt vielversprechend und interessant. Man ruft sie auf. Man liest 1, maximal 2 Absätze und versteht NICHTS. Emotionen werden nicht bedient, Vertrauen baut sich nicht auf. Ja, man versteht, dass hier womöglich viel Kompetenz zu finden ist, aber diese Kompetenz beruhigt den Leser nicht, schafft kein Vertrauen und lässt ihn oder sie allein zurück. Allein und voller Fragen – so war der Suchende schon vorher, was der Mensch möchte ist das Gefühl, hier gut aufgehoben zu sein, hier Hilfe zu bekommen und dieses Gefühl bekommt er oder sie durch Zeilen, die ihn oder sie abholen. Abholen dort, wo sich der Mensch gerade befindet.

Geheimtipp oder Microinfluencer

Man kann nicht alles messen, am Ende muss man auch vertrauen. Ein Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen muss sich vertrauen, ein Kunde muss den Zeilen vertrauen, der Präsenz, die der Anbieter zeigt, dem Bild, was er oder sie von sich entwirft.

 

Vertrauen wird sich, denke ich, bis auf Weiteres nicht berechnen oder messen lassen.

Wieder muss ich an die Worte denken, die mir vor Jahre eine Kollegin sagte: „Wenn man alles nach bestem Wissen und Gewissen macht, sich nicht ganz sicher sein kann, ob auch das richtige Ergebnis herauskommt, es aber hofft und dafür sein Bestes gibt, so nennt man das Leben.“ Welchen Algorithmus hat denn eigentlich das Leben?

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