Sprachhygiene mit intrinsischer Motivation
Kryptisch? Zunächst
ja. Was allerdings dahintersteckt, ist ein faszinierendes Phänomen, welches
sich bei vielen nach einigen Wochen der Ausgangsbeschränkungen im Zuge der
Corona-Krise zeigt. Dinge, die noch vor einigen Wochen zu den eher weniger
beliebten Punkten des Alltags gehörten, werden nun sehr geschätzt. Arbeit,
Einkaufen, die Freiheit, andere Menschen zu sehen.
Neue Kommunikation
„Wie geht es Dir?“
„Danke. Mir geht es gut. Ich darf noch arbeiten.“
„Ich möchte nur wissen, ob ich nach den Osterferien wieder
in die Schule darf?“
„Ich gehe jetzt gerne einkaufen, da kommt man wenigstens mal
raus.“
„Ich darf meine Mandanten noch beraten. Ja, wir achten auf
den Sicherheitsabstand, aber ich sehe einige doch noch persönlich, das ist
gut.“
„Ich habe mich immer geweigert, XY online durchzuführen,
aber es geht tatsächlich besser als ich gedacht habe.“
Vielleicht sind Ihnen in den letzten Wochen derartige Sätze
auch untergekommen? Vielleicht haben Sie diese sogar selbst ausgesprochen?
Es gehörte bis vor Kurzem ja fast schon zum guten Ton,
(rechtmäßige und sinnvolle) Pflichten geringschätzig zu betrachten und wann
immer möglich auch das Missfallen über die Existenz derselben auszudrücken.
Arbeit die nervt, Kunden die anstrengend waren, blöde Schule, neue Technik, mit
der man sich (auch noch) auseinandersetzen soll und mehr.
Sprachhygiene
Es ist ganz normal und auch absolut nachzuvollziehen, dass
wir alle unseren Pflichten nicht immer mit (gleicher) Begeisterung nachkommen.
Man wünscht sich Ruhe. Man wünscht sich Zeit ohne Menschen, man möchte mehr
Ferien und mehr Freizeit und sieht den Wert dessen, was uns Schule, Arbeit und
Austausch mit anderen Menschen offeriert, nicht immer. Weiterbildung ist
Belastung und neue Herausforderungen erhöhen das Stresslevel.
Nee, will ich nicht.
Wollen wir alle nicht, bis wir auf diese Dinge verzichten
müssen.
Dann schätzt man sich glücklich, arbeiten zu dürfen. Dann
geht man gerne einkaufen, dann dehnt man auch Zaun-Smalltalk aus, dann wünscht
man sich wieder in die Schule zu gehen.
Vielleicht ein Punkt, der bleiben kann?
Bildung, Arbeit, die Deckung der täglichen Bedarfe – all das
sind keine Selbstverständlichkeiten, sondern Privilegien.
Natürlich hat nicht jeder einen Job, der ihm Spaß macht.
Natürlich ist Schule oftmals eine Belastung, natürlich kostet Lernen und
Investieren in neue Fähigkeiten zunächst einmal mehr Kraft und natürlich ist
ein Small-Talk am Zaun selten hochphilosophisch wertvoll.
Aber wenn wir auf alles verzichten müssen, dann merken wir
oftmals auch, wie sehr wir diesen Punkten in unserer Einschätzung unrecht getan
haben, denn sie gehören zur (echten oder gefühlten Sinnhaftigkeit) des Lebens dazu.
Arbeit und Schule sind keine Strafen und einfach in den
Supermarkt gehen zu können, um das einzukaufen, was man gerade will oder
braucht, ist Luxus pur.
Es sind die kleinen Diamanten im Alltag, die ebenso funkeln
wie eine goldene Rolex.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen