Nachmacher, Fake, Benchmarking oder was?
Kopieren, Nachmachen – Fake it till you make
it?
Diesen Tätigkeiten und Verhaltensweisen stand ich immer
schon mit gemischten Gefühlen gegenüber. Ja klar, niemand muss das Rad neu
erfinden und natürlich orientiert man sich an Personen, die den Weg bereits
gegangen sind und dabei erfolgreich waren. Lernen hat viel mit Abgucken zu tun.
Im Sport kann man gar nicht anders: Wie macht es das „Vorbild“, wie kann ich es
nachmachen? Genaues Beobachten und Kopieren ist hier sogar erwünscht.
Man stellt (Trainings-)Pläne auf, die von anderen Personen
erstellt und für gut befunden wurden, man lässt sich erklären, wie eine Übung/
ein Trick/ ein Move funktioniert und versucht, diesen Erklärungen so
detailgetreu wie möglich zu folgen, damit das Ergebnis so aussieht wie die
Vorlage. Was also kann daran verkehrt sein?
Was mich daran stört, ist nicht das Verhalten an sich,
welches zu Beginn einer neuen Tätigkeit, einer neuen Herausforderung fast immer
zu finden ist, sondern vielmehr, dass dies das einzige Verhalten im Repertoire
bleibt.
Den zweiten Teilsatz „…till
you make it.“ überlesen viele geflissentlich, Kopieren reicht ja.
Auch im Sport, in der Akrobatik, im Tanz, bei der Erstellung
von Trainingsplänen geht es früher oder später darum, den eigenen Weg zu finden,
den eigenen Stil zu entwickeln. Nur so kann man unverwechselbar werden, eine
Marke kreieren und den Weg finden, der am besten zum eigenen Ego und Körper
passt.
Sport und Benchmarking
Auch zu Beginn von Benchmarking steht der Vergleich der
eigenen Leistung/ des eigenen Produkts mit Produkten von Mitbewerbern, die „besser“
sind. Am Ende soll allerdings nicht ein Plagiat/ eine Kopie des Besten hergestellt
werden. Der Vergleich dient der Analyse, worin die Unterschiede bestehen, der
Klärung der Frage, warum man selbst nicht der Beste/Marktführer ist und der
Genese von Verbesserungsmöglichkeiten. Soweit die Theorie.
Schein und Anschein
„Hat man vor einer neuen Herausforderung keine Angst, so ist
sie zu klein.“ – sagt man. Stimmt in gewisser Weise. In allen Situationen, die
uns Angst einflößen, suchen wir nach Sicherheit, nach einem Halteseil, nach
Hilfestellung, nach probaten Wegen, die bereits gut ausgetreten sind, damit wir
auf diesen den Pionieren einfach nachlaufen können. Wir kopieren
Verhaltensweisen, schmücken diese mit dem richtigen Auftreten und Accessoires und
hoffen, dass das Gegenüber uns das abnimmt, was wir uns selbst noch nicht
glauben.
Das funktioniert sogar körperlich. Mittels des Bodyfeedbacks
übermittelt unser Körper unserem Gehirn Signale. Ist das Auftreten entsprechend
(groß, stark, stolz, mit Körperspannung, Rumpfstabilität und erhobenem Haupt)
so lautet die Rückmeldung: „Kein Grund zur Panik, Besitzer fühlt sich sicher
und agiert mit Selbstvertrauen, alles im grünen Bereich.“ Diese Positiv-Verstärkung
können wir nutzen. Die Grundhaltung ist das Wichtigste. Das gilt nicht nur im
Sport, sondern auch im allgemeinen Berufsleben. Die richtigen Accessoires
helfen. Im Sport ist uns klar, dass wir mit Funktionsbekleidung bessere
Leistungen erbringen können als wenn wir in High Heels und Wollpullover zum Joggen
gehen würden. Im Berufsleben sind es Rhetorik, Kleidung, Visitenkarten und
mehr. Die Erscheinung muss stimmen, dann passt meist auch der erste Eindruck.
Wenn der erste Ton
erklingt
So agieren wir auch beim Unterrichten von Choreographien und
Tanz. Sobald der erste Ton erklingt, muss die Haltung stimmen. Der (imaginäre)
Zuschauer/ die (imaginäre) Zuschauerin möchte einen Tänzer/ eine Tänzerin sehen,
niemand, der sich seiner Rolle nicht einmal selbst bewusst ist. Hier ist uns
klar, dass wir eine Rolle einnehmen. Eine Rolle, die uns hilft, uns größer zu
fühlen, Selbstvertrauen aufzubauen und stärker zu werden (mental und
körperlich). Und es ist uns klar, dass wir zumindest anfangs „spielen“, weil
wir ja keine Tänzer/Tänzerinnen sind.
If you stumble – make it part of the dance
Und wenn dann doch was schiefläuft? Dann muss es gewollt
aussehen. Sinngemäß meint das die Zwischenüberschrift. Wenn Du stolperst, lass
es so aussehen, als ob es dazugehört.
Genau hier zeigt sich die geringe Reichweite des Ratschlags,
zu kopieren und nachzuahmen, bzw. was passiert, wenn man den zweiten Teilsatz
einfach negiert. Dann ist man verloren, denn das kopierte Individuum/Unternehmen
hat mir ja nur den geradlinigen Weg vorgelebt, nicht den, den ich zu gehen in
der Lage sein muss, wenn es mein Weg ist, der vielleicht an manchen Stellen
holprig/ steinig und eng ist.
So muss neben dem Kopieren von Bewährten auch gleichzeitig die
Suche nach dem eigenen Weg ablaufen. Was kann man aus einem (missglückten) Tanzschritt
noch machen? Wie kann man es so aussehen lassen, als ob es gewollt wäre? Nur
das Wissen um die eigenen Fähigkeiten offeriert einen Plan B, der mit ebenso
großer Eleganz ausgeführt wird, wie der eigentlich angedachte Plan A.
Ein guter Coach/Trainer vermittelt also immer
Wahlmöglichkeiten, Alternativen, zeigt Vor- und Nachteile auf und respektiert
die Persönlichkeiten, die Vielfalt, das Bunte.
Nur der eigene Stil
ist unverwechselbar
Nochmals an dieser Stelle. Anfängliches Nachahmen und Kopieren
ist Teil eines ganz normalen Lernprozesses. Anders geht es gar nicht und daran
ist nicht Verwerfliches. Ziel muss es allerdings sein, den einen Weg, den eigenen
Stil, die eigenen Verhaltensweisen zu erkennen, zu perfektionieren, sie zu
entwickeln und so zur unverwechselbaren Marke zu werden.
Das setzt Mühe, Anstrengung, Training, einen guten Coach und
einen langen Atem voraus.
Das ist ja
anstrengend
Und weil dem so ist, bleiben viele Personen beim ersten
Teilsatz und ahmen nach. Aus Selbstschutz (wie manche Tiere), aus Faulheit und Bequemlichkeit,
aus Ermangelung eines guten Coaches oder vielleicht einfach, weil sie keinerlei
Substanz zu bieten haben? Je besser und selbstverständlicher dabei das
Auftreten ist, umso länger kommen diese Personen damit auch durch, manchmal
sehr zum Ärger der Urhebers/ der Urheberin.
Nachmacher,
Nachmacher…
Wir lesen und fühlen uns in die Kindheit und Jugendzeit
zurückversetzt. Da wurde allzu offensichtliches Imitieren ganz schnell mit diesem
despektierlich quäkenden Ausruf quittiert. Und wir alle verstanden, was damit
zum Ausdruck gebracht werden sollte: „Du bist ja langweilig. Dir fällt ja
selbst nichts ein. Das hat vor Dir schon jemand anderes gemacht. Das gehört dir
nicht. Das passt nicht zu Dir.“ – im schlimmsten Fall trafen alle Aussagen zu.
Ein Nachmacher kann immer nur hinter dem Original bleiben,
kann nur reagieren, ist immer eine Spur zu langsam.
Da dies nicht unser langfristiges Ziel sein kann, ist es
wichtig, dass wir die Kopie immer nur als Krücke sehen, die uns hilft anfangs,
wenn die Beine noch schwach und der Kopf voller Zweifel ist, den Weg zu gehen.
So lange, bis wir uns unserer Besonderheiten bewusst sind, die nutzen und sie
auf die Bühne bringen.
So versuchen wir es auch im Tanz- und Choreographie-Unterricht
den teilnehmenden Personen mitzugeben. Nicht jeder ist gleich flexibel, nicht
jeder ist gleich stark, nicht jeder kann auf die gleiche Weise interpretieren. Und
das ist gut so. Wir arbeiten gemeinsam am jeweiligen Stil und erkennen an, dass
jede Person ihre Einzigartigkeiten hat, die präsentiert werden können und
dürfen, sofern die Person das möchte.
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