Verachtet und betrogen

 

Ein Jahr und wir sind (leider) immer noch nicht tot. Ich habe keine Kraft mehr für Diplomatie, für Sanftmut und Gelassenheit. Ich bin müde und kaputt.
Am 17. März 2020 begann der erste Lockdown. Sofort haben wir die gleichnamige Hilfe beantragt. Eine Soforthilfe, die vollmundig und gönnerhaft versprochen wurde, mit den beschwichtigenden Worten, dass kein Unternehmen sterben würde müssen. Wir haben sie anteilig bekommen, wir haben etwas aufgeatmet. Große Sprünge waren damit nicht zu machen, aber immerhin etwas. Dass wir mit unserem eigenen unternehmerischen Tun das Messer selbst schleifen würden, was uns später in den Rücken gerammt werden sollte, das habe ich wohl „überlesen“.

 

Kein Unternehmen wird sterben müssen

die Unternehmer schon, aber das ist ja dann egal, immerhin keine Corona-Toten.

 

Die Soforthilfe war ausschließlich zur Deckung der geschäftlichen Fixkosten gedacht. Gut.

Für die privaten Belange (Essen, Miete, Heizung, Versicherungen etc. etc. etc.) selbst verantwortlich zu sein, ist als Unternehmer nicht das Problem

Also aktiv bleiben, aktiver werden, ranklotzen, nicht aufgeben, nicht nachlassen, neue Wege finden.

 

Mammutprogramm

Wir haben geklotzt, nicht gekleckert. Wir haben geschuftet, nicht gearbeitet. Wir haben uns nicht darüber beschwert, dass der Arbeitstag (alleine, zu Hause, voller Sorgen und Ungewissheiten) wieder etwas länger geworden ist. War ja auch nicht schlimm, denn erholsamen Schlaf konnte man sowieso nicht finden. Meist so gut wie gar keinen Schlaf.
Arbeiten, Online-Kurse kreieren, Masken nähen, Videos drehen, Anträge ausfüllen, Politkern schreiben, Sorgen formulieren, für die Kunden und Kundinnen da sein, nicht aufgeben. Heute nicht und morgen auch nicht.

 

Ich habe geweint und geflucht, getrunken und gearbeitet. Voller Sorgen drohte mir der Kopf zu platzen. Angst vor der Zukunft war ein ständiger Begleiter. Dazu die Fremdbestimmtheit und das Verbot, den Beruf auszuüben, den ich für mich gewählt habe und den ich so sehr liebe. Wieder Tränen.

 

Wenn alles wegbricht

muss man aus den Trümmern etwas Neues schaffen. Das geht nur, wenn man die Pobacken zusammenkneift und immer wieder aufsteht. Keine Seminare, kein Studio, keine Kurse, kein Einkommen. Nein, ich will nicht untergehen.

 

Maßnahmen, Regeln und das gute Kind

Was möchtet ihr von mir? In Ordnung, ich werde es erfüllen. Abstand, Hygienekonzept, Sauberkeit, Offenheit, Ehrlichkeit. Gut, kein Problem.

 

Wir haben das Jahr 2020 überstanden

Und das, obwohl wir, trotz aller Angepasstheit, aller Vorsicht, des Befolgens aller Regeln seit 31.10.2020 wieder im Lockdown SIND. SIND! Nicht waren.

Wir schreiben den 18. März 2021 und unser Studio hat geschlossen.

 

Und dann kommt das Messer – Strafbefehl und Gewerbeverbot

Wer es geschafft hat, die geschäftlichen Fixkosten in den Monaten März, April und Mai 2020 selbst zu erwirtschaften, der hat die Soforthilfe zurückzuzahlen. Wichtig dabei ist es, selbst auf die Behörden zuzugehen, denn ansonsten könnte man des Subventionsbetrugs bezichtigt werden. Und als ob das nicht schon schlimm genug klingt, setzt man hier noch eins drauf: Strafbefehl und Gewerbeverbot können drohen.

 

Vergiftete Gutscheine

Sehr interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Aufrufe zu Gutscheinkäufen.

Gutscheine, die gekauft werden, sind Einnahmen, die ein Unternehmer generiert, in Zeiten, in denen er eigentlich nichts einnimmt. Später werden diese Gutscheine eingelöst. Später kommen also Monate, in denen der Umsatz vielleicht sogar wieder einbricht.

Macht nichts, denn in den Monaten, die zur Berechnung und einer etwaigen Rückforderung der Soforthilfe herangezogen werden, hat man ja – ach wie toll – Umsatz gemacht und konnte somit die geschäftlichen Fixkosten selbst erwirtschaften. Dann bitte die Rückzahlung nicht vergessen.

 

Zusammengefasst:

Die vollmundig versprochene Soforthilfe muss zurückgezahlt werden. Wovon man in den Monaten als MENSCH gelebt hat, das interessiert niemanden. Großmütig wurde man auf die Möglichkeit, Hartz IV zu beantragen verwiesen.
Dass viele Einnahmen in unserem Fall sich auf Kurse bezogen, die aufgrund des Lockdowns nicht stattfinden konnten und später abgearbeitet werden mussten, ohne, dass man Neueinnahmen generieren konnte, auch das interessiert niemanden.

So geht man wahrlich würdevoll mit Menschen um.

 

Und jetzt sagt uns offen ins Gesicht, dass ihr uns NICHT zerstören wollt!

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