Empathie – Fluch und Segen
Die Fähigkeit, sich in die Lage anderer hineinversetzen und einfühlen zu können, gilt gemeinhin als wertvoll und wird von vielen Personen als persönliche Stärke definiert. Stimmt. Kann aber auch ein Fluch sein…
Begriffsklärung
Mitgefühl, Mitleid, Empathie, Einfühlungsvermögen.
Fühlen muss nicht gleichbedeutend zu leiden sein und Einfühlungsvermögen
könnte man als Synonym für Empathie verwenden.
Empathie geht auch ohne Sympathie. Man muss das Gegenüber nicht einmal wirklich
sympathisch finden, wenn man zu echter Empathie fähig ist, allerdings macht das
die ganze Sache etwas schwerer.
Man muss auch die Entscheidungen, die Gedanken und Rückschlüsse des anderen nicht gutheißen, nicht einmal verstehen – lediglich nachvollziehen können.
Empathie und Souveränität
Souveränität beschreibt nicht die Abwesenheit von Fehlern, im Gegenteil. Souveräne Menschen haben ein wohlwollendes aber realistisches Bild von sich selbst. Sie kennen ihre Macken, sie kennen ihre Vorzüge, sie wissen, was sie können und auch, was sie nicht können. Mit all diesen Dingen gehen sie, wenn es nötig werden sollte, offen um.
Dieses Wissen und diese Eigenschaft schafft die Grundlage, auch anderen Menschen Fehler, Macken und Ticks zuzugestehen.
Mitleid und Einfühlungsvermögen
Um deutlich zu machen, dass das eine nicht unbedingt etwas mit dem anderen zu tun haben muss, hilft uns ein Beispiel aus dem Sport. Ein Trainer ist meist selbst den Weg gegangen, auf welchem er/sie nun die teilnehmenden Personen begleitet. Er kennt die Anstrengung, die Schmerzen, den Frust aber auch die Erfolgserlebnisse.
Insofern fällt es ihm/ihr leicht, sich in die Lage der teilnehmenden Personen zu versetzen, dennoch wäre es fatal, wenn er immer „mitleiden“ würde.
Der Pole Seat
Einer der ersten Tricks, die man im Polesport lernt, ist das Sitzen an der Stange. Es tut zu Beginn einfach nur weh. Man stellt sich die Frage, warum man das überhaupt freiwillig macht. Aber es wird besser mit der Zeit.
Der Trainer ist meist über den Schmerzpunkt hinausgewachsen, aber er hat nicht vergessen, wie sich die Anfänge anfühlten. Er kann sich also perfekt in die Lage der Teilnehmer versetzen, aber es wäre wenig hilfreich, wenn er tatsächlich jedes Mal den Schmerz wieder miterleben würde.
Abgrenzung
Wer jedes Leid tatsächlich mitempfindet, wer Situationen anderer (positive wie negative) komplett adaptiert, aufsaugt und mit jeder Faser mitempfindet, der schädigt auf Dauer seine eigenen Ressourcen. Und bei positiven Erlebnissen anderer? Mitfreuen macht unheimlich viel Spaß, aber auch hier sollte man nicht über das Ziel hinausschießen, denn die Freude gehört ja einer anderen Person!
Echte Empathie braucht also Grenzen, damit sie nicht zum Fluch wird.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen