Schuldig im Sinne der Anklage

Leider finde ich den Bildpost nicht mehr, den ich vor ein paar Jahren geteilt hatte. Sinngemäß wurde hier gesagt, dass man nicht nach Anerkennung anderer hungern solle, wenn man nicht bereit wäre, sich selbst anzuerkennen. Man könne nichts von anderen fordern, von dem man nicht bereit wäre, es sich selbst zuzugestehen. Dieser Bildpost ploppte vor ein paar Tagen als „Erinnerung“ in meiner Timeline wieder auf und der Gedanke erhielt durch den Artikel „Kein positives Selbstwertgefühl durch Poledance?“ von Luisa Sprung (Studentin und Poledancetrainerin) aus dem aktuellen Pole Art Magazine 02/2020 weitere Befeuerung.

Als Trainerin stelle ich immer wieder fest, dass es nicht schwer ist, anderen Menschen Komplimente zu machen, sie zu loben, sie zu ermutigen, ihnen positives Feedback zu geben. Oftmals muss man dann doch resignieren. Warum? Weil das Gegenüber dieses Feedback einfach nicht annehmen möchte.

 

 

Größe, Raum und Präsenz

Obwohl wir infiltriert werden mit den Gedanken, dass wir alles erreichen können, dass uns vieles/alles zusteht und in einer relativ „freien“ Zeit mit vielen Möglichkeiten leben, kann man immer wieder bemerken, dass sich Personen selbst klein machen.
Es stellt sich die Frage, ob beispielsweise Schulter-Nackenprobleme ihren Ursprung in einer arbeitsalltäglichen Fehlhaltung haben, oder ob die Fehlhaltung nicht vielleicht im Kopf entsteht, weil man sich permanent verstecken und schützen möchte (auch das führt dazu, dass gerne die Schultern zu den Ohren gezogen werden, und der Hals-Nackenbereich verkrampft)?

Man muss sich nicht erhöhen oder künstlich „groß“ machen, es reicht in vielen Bereichen schon, wenn man die eigene Größe wahrnimmt und nutzt (im tatsächlichen wie im übertragenen Sinne).

 

Nicht um das Bitten, was einem zusteht

Wer auf seine Rechte pocht, der kann das tun, aber souverän wirkt es in den seltensten Fällen. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl müssen gefüttert und gepflegt werden. Diese wichtigen Eigenschaften sind nichts, was man sich einmal zulegt und dann das ganze Leben nutzen kann. Immer wieder macht sich im Garten Selbstwertgefühl Unkraut breit. Immer wieder müssen wir uns die Zeit nehmen, dieses zu betrachten, uns zu fragen, woher es kommt und es vorsichtig zu entfernen, damit wir nicht auch die guten Sprösslinge entfernen.

 

Der oben erwähnte Artikel von Luisa Sprung beschreibt Ergebnisse einer Querschnittsstudie, die Luisa Sprung im Rahmen ihrer Bachelorarbeit durchgeführt hat. Die Bachelorarbeit behandelte die Fragestellung, ob das Selbstwertgefühl von Frauen durch Poledance positiv beeinflusst werden würde. Die Studie kam zum Ergebnis, dass dem eher nicht so ist.

 

Aber warum? Weil der Sport so schwer ist, weil diesen Sport eben nur einige wenige Menschen erlernen und ausüben können, weil das Training zu hart ist? Nein!

Weil die meisten Menschen (hier Frauen) meiner persönlichen bescheidenen Meinung nach, das Positive, was sie für sich herausziehen könnten, selbst zerstören. Immer und immer wieder.

 

Sie jäten kein Unkraut, sie kaufen sich Samentüten voller Unkrautsamen und streuen diese ins Beet der Selbstwertsgefühlspflanzen.

 

Angebote ausschlagen

Das ist nicht nur in der Nischensportart Poledance der Fall. Das kann man überall beobachten.

Jede Person erlebt Situationen, in denen sie mehr als zufrieden sein kann. Manchmal bekommt sie das sogar als Rückmeldung von anderen Personen zu hören: „Toll gemacht.“ – „Das sieht gut aus.“ – „Das gefällt mir“ – „Tolle Leistung.“ – oder einfach nur ein „Wow“.

 

Die häufigsten Reaktionen? Abmildern, verneinen, negieren, verweigern.

„Ach, das war doch gar nichts.“ – „Das machen die Lichtverhältnisse“ – „Echt, das gefällt Dir? Das ist doch schon ganz alt/das war doch gar nicht schwer/das ist doch nichts.“ – „Ja, ich hatte Glück.“ – „Ach Quatsch – das hat doch kein „wow“ verdient.“

 

Der Feedbackgeber möchte bei der Pflege des Selbstvertrauensbeets helfen und offeriert Dünger. Doch anstatt diesen Dünger dankbar anzunehmen, wird er ausgeschlagen. Währenddessen wuchert das Unkraut im Selbstvertrauensbeet weiter.

 

Über sich selbst hinauswachsen

Es ist so unheimlich schön zusehen zu können, wie Menschen wachsen. Über ihre gefühlte Größe hinauswachsen und ihre wahre Größe realisieren. Ein Trainer und Coach – ob nun im Sport oder Businessbereich kann dazu beitragen, aber er kann es nicht alleine und auf Dauer bewerkstelligen, wenn es die andere Person nicht will.

 

Inspirationen zu diesem Artikel unter anderem durch: Pole Art Magazine, 02/2020 – Seite 30-31, Luisa Sprung: „Kein positives Selbstwertgefühl durch Pole Dance?“

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