Freundschaftliche Abrechnung

 



Freundschaft. Bekanntschaft. Gleiche Wellenlänge. Seelenverwandtschaft. Nutzbeziehung. Zweckgemeinschaft. Kooperation. Geschäftsbeziehung.

Jeder versteht unter jedem der oben genannten Begriffe etwas anderes, jeder definiert die Begriffe für sich selbst. Wie sehr die Definitionen auseinanderdriften können, merkt man erst, wenn man die Definitionsinhalte gemeinsam betrachtet/betrachten muss.

 

Empathie ohne Sympathie

Einfühlungsvermögen. Die Fähigkeit, sich in die Lage der anderen Person zu versetzen, obwohl man selbst die Gefühle und Ansichten nicht teilt, wird heutzutage auch im beruflichen Alltag gefordert. Von Kollegen und Kolleginnen, von Führungspersonen, von allen Personen.

Empathie funktioniert im Grunde sogar ohne Sympathie. Niemand verlangt, dass wir unser Gegenüber leiden mögen, wenn wir versuchen, es zu verstehen. Klingt schön, gelingt uns aber nicht immer. Die Bereitschaft, eine andere Person verstehen zu wollen, hängt eben doch stark mit der empfundenen Sympathie zusammen.

Die Fähigkeit, etwas nachvollziehen zu können, gefühlsmäßig zu verstehen, selbst wenn es nicht die eigenen Empfindungen oder Gefühle sind, das ist Empathie.

Dies auch ohne Zuneigung zu schaffen, ist schwer.

 

Kollegial aber nicht freundschaftlich

Mit Kollegen und Kolleginnen verbringt man meist mehr Zeit als mit dem eigenen Partner. Kunden und Kundinnen sieht man manchmal häufiger als die beste Freundin. Manchmal trifft man sogar den Postboten öfter. Wer so viel Zeit miteinander verbringt, der möchte auch eine gute Zeit haben. Verständlich. Kollegen und Kolleginnen können zu Freunden werden, müssen es aber nicht zwangsläufig und das ist vollkommen in Ordnung. Kollegiales Verhalten allein würde in vielen Bereichen vollkommen ausreichen, umschreibt es doch die Melange von Respekt, Wertschätzung und Anerkennung, Interesse sowie Kooperation. Das würde im beruflichen Alltag vollkommen genügen.

 

Nutzen ziehen

Dass man sich unter Kollegen gegenseitig nutzt und hilft, ist schon in der Arbeitsgestaltung implementiert. Dass es dabei so gerecht wie möglich zugehen sollte, ist ein Ziel, welches nicht immer erreicht werden kann. Kompromisse müssen geschlossen, Verzicht geübt werden. Von allen Beteiligten, das macht die Fairness aus. Ein echter Kompromiss – so sagt man – tut immer beiden Seiten weh. Manchmal hilft es, Übereinkünfte unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Dass man also im beruflichen Umfeld einschätzt, abwägt, auf- und berechnet, ist im Grunde nicht nur legitim, sondern normal.

Fair und kollegial ist es dann, wenn alle ihren Teil dazu beitragen. Auch dieses Verhalten hat mit Freundschaft noch nichts zu tun – eher mit Anstand.

 

Abrechnen

Eine besonders krude Mixtur entsteht, wenn der Begriff Freundschaft strapaziert, überstrapaziert oder dort gebraucht und ins Feld geführt hat, wo Freundschaft keinen Platz hat. Wer einen Vorteil für sich herausschlagen möchte und dies mit dem Argument der Freundschaft tut, der outet sich als Urheber einer möglichst lukrativen Nutzbeziehung.

 

„Abrechnen ist das Ende der Freundschaft.“
Aus Irland

 

Romantisierte Vorstellungen werden häufig enttäuscht

Wer das Argument „Freundschaft“ ins Feld führt, um eine Argumentationsgrundlage für finanzielle Vorteile zu haben, der hat den Begriff der Freundschaft nicht verstanden.

Wie ist es denn? Gilt eher: „Ich liebe dich, weil ich dich brauche.“ – oder „Ich brauche dich, weil ich dich liebe.“?

Freundschaft wächst und hat tiefe Wurzeln. Alles andere kann ebenfalls schöne Blumen hervorbringen und es ist nicht verkehrt, sich an diesen zu erfreuen, aber man sollte nicht hinter jeder guten und freundlichen Kooperation eine Freundschaft vermuten.

 

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