An mir lag es nicht!
Im Training offeriere ich gerne folgende Ausreden: Wenn etwas nicht klappen sollte, dann ist daran natürlich wahlweise die Stange/das Trainingsgerät an sich, das Wetter, das zu anstrengende Warm-Up vorher oder generell der Trainer Schuld. Wir quittieren diese bereits zu Beginn ausgebreitete Auswahl an Ausflüchten gerne mit einem gemeinsamen Schmunzeln. Es ist zum einen wirklich sinnvoll, sich nicht dauernd selbst niederzumachen, wenn etwas nicht klappt, zum anderen übertreiben wir damit das, was Menschen im Allgemeinen gerne tun: Den Grund für eine Situation nicht bei sich zu suchen.
Wahrscheinlichkeitsrechnungen
Ein einfacher emotionsloser Vergleich zu Beginn. Ein – zugegeben etwas seltsamer – Test offeriert 140 Antwortmöglichkeiten. Alle Antworten sind richtig. Man muss 20 wählen, um die volle Punktzahl zu erreichen. Man selbst beschließt, nur 17 zu wählen und besteht den Test nicht.
„Selbst schuld!“, würde jeder Mensch hier sagen. So sind wir aber nun mal nicht gestrickt.
Es ist mühsam und kratzt am Ego, den Grund für ein suboptimales Ergebnis bei sich selbst zu suchen. Immerhin müsste man dann auch mit den Konsequenzen zurechtkommen. Entweder müsste man für das nächste Mal etwas ändern (bäh, anstrengend!) oder aber damit leben, dass man es selbst „versemmelt“ hat (bäh, doof!).
Es ist viel einfacher, Gründe überall zu suchen, nur nicht bei sich. So sind wir nun mal, es ist hilfreich, das anzuerkennen.
Der Tritt in den Allerwertesten
Für das eigene Ego und den Wohlfühlfaktor in der gleichnamigen Zone ist es gut, Dinge zu tun, die das eigene Ego streicheln oder zumindest nicht in Frage stellen. Auch das ist normal. So lange man damit zufrieden ist und es keinerlei Beschwerden gibt, reicht das aus und ist auch vollkommen in Ordnung. Stellen sich Beschwerden ein, muss man etwas ändern. Menschen ändern sich aber nicht so gerne. Andere vielleicht schon, Umstände auch, aber nicht sich selbst (siehe oben genannten Anstrengung).
Beschwerden können dabei durchaus doppeldeutig verstanden werden: Unzufriedenheit im Job, Langweile in der Freizeit, Frustration in der Beziehung oder körperliche Beschwerden aufgrund zu geringer sportlicher Betätigung. Wie sich der Umstand, dass „etwas“ nicht mehr passt, äußert, ist dabei zweitrangig.
Trainer kennen das: Es gibt Übungen die liegen einem und es gibt Übungen, die liegen einem weniger. Es gibt die „eine“ Seite und es gibt die „andere“ Seite. Somit ist die Versuchung groß, nur das zu zeigen, was man bestens beherrscht und die anderen Dinge einfach „zu lassen“. Zur Untermauerung der eigenen Rolle (kompetent, sportlich, stark, kräftig, perfekt) scheint dieses Vorgehen nicht nur legitim, sondern auch erfolgsversprechend und nachvollziehbar zu sein.
Dinge zu tun, in denen man NICHT perfekt ist, miteinander zu trainieren und anzuleiten, selbst wenn man dabei nicht immer in die Meisterrolle schlüpfen kann und auch immer wieder die „andere“ Seite zu zeigen, erfordert einen gedanklichen Tritt in den Allerwertesten. Immer und immer wieder.
Training der Fairness
Das ist Training. Übst du noch, oder trainierst Du schon?
Und nein, das macht nicht immer Spaß und ja, es ist immer anstrengend, aber hinterher belohnt einen das Gefühl, wieder einmal eine (kleine) Grenze überschritten und somit den eigenen Horizont erweitert zu haben.
Dieses Vorgehen ist fair. Hart, aber fair. Sich selbst gegenüber, aber auch den Mitmenschen gegenüber, denn ein Bild zu skizzieren, durch welches man sich selbst überhöht, während man die Mitmenschen als defizitär dastehen lässt, entspricht einfach nicht der Wahrheit.
„Wer nur das tut, was er schon kann, wird immer bleiben, was
er schon ist.“ (Henry Ford)
Kein Problem, so lange sich – siehe oben – keine Beschwerden einstellen.
Alles Negative zurücklassen
Am Ende sollte das gute Gefühl bleiben. Kein Training, keine Fortbildung, keine Verhandlung und kein Meeting verlaufen immer zu 100% toll. Es gibt immer etwas, was man kritisieren und bemängeln kann. Die Dosis macht das Gift und der Fokus den Sonnenschein.
Wer das Hauptaugenmerk auf das legt, was nicht gut gelaufen ist und sich ausschließlich auf diese Punkte fokussiert, der wird nie zufrieden werden. Wer zusammenfasst, was gut und was weniger gut gelaufen ist, wer ein Ziel vor Augen hat und wer bereit ist, an den richtigen Stellen die Änderungsmöglichkeiten bei sich selbst zu suchen, der wird gestärkt werden. Und auch das gilt für jede Art von Training, ob nun Personalentwicklung oder Sport.
Ein liebgewonnenes Ritual am Ende
Und so nehmen wir zum Abschluss jeder Kursstunde gedanklich das Positive mit, schieben das Negative von uns und schütteln das ab, was noch an uns klebt, uns aber nicht weiterbringt.
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