Grenzen setzen
Wir kennen das
Problem. Ein „Nein“ wirkt selten freundlich, eine Weigerung mit- oder
weiterzugehen, könnte als Ablehnung empfunden werden und manchmal setzen wir
uns selbst unter Druck mit dem Denken „ein bisschen mehr muss sein, ein
bisschen mehr geht schon noch.“ Mit den (geistigen) Grenzen, der Abgrenzung und
der Verweigerung ist es wie mit vielen Dingen: Sie können uns schützen, sie können
uns hemmen.
Freundlichkeit und
Service
Im Berufsalltag werden Freundlichkeit und Service großgeschrieben.
Im Dienstleistungsbereich sogar erwartet. Im Seminarbereich lautet ein
Ratschlag, die teilnehmende Person dort abzuholen, wo sie sich befindet. Man
geht auf die Personen zu, man richtet sich nach ihnen (aus), man offeriert mehr
als 2 Möglichkeiten und das ist gut so.
Die wichtige Frage, die bei diesen Punkten nicht
unbeantwortet bleiben sollte, ist, wie es uns selbst dabei geht? Je mehr man
bei einem Zugeständnis das Gefühl bekommt, an die Wand gedrückt oder ausgenutzt
zu werden, umso wichtiger ist es, rechtzeitig Grenzen zu setzen.
Überfreundlichkeit
und Übertraining
Zu viel an Service, zu viel, was man gibt, ohne etwas
zurückzubekommen und auch ein Übermaß an Training schaden mehr, als sie nutzen.
Dabei ist es meist gut gemeint: „Wenn ich noch ein bisschen schneller antworte,
wenn ich den Termin das 5. mal verschiebe, wenn ich meinen eigenen Tagesplan
komplett über den Haufen werfe, wenn ich statt 3 mal pro Woche 5 mal trainiere,
wenn ich trotz merkbarer Warnzeichen weitermache, dann muss es doch (endlich)
gut oder wenigstens besser werden.“
Die gesunde Mischung
Ein Kompromiss ist nur dann gut, wenn er beiden Seiten weh
tut, Serviceleistungen sind nur dann zu forcieren, wenn alle Beteiligten (auch
die dienstleistende Person) daran Freude haben und „Zähne zusammenbeißen“ im
Training ist nur dann sinnvoll, wenn die Warnzeichen, die der Körper und der
Kopf gegeben haben, noch nicht überlaut waren.
Warnzeichen
Das oben beschriebene Gefühl, in der eigenen Freiheit mehr
und mehr eingeschränkt zu werden, oder aber auch nur dann als „nett“ empfunden
zu werden, wenn man sich konsequent nur nach den anderen richtet, ist für sich
bereits ein Warnzeichen.
Kraftreserven, die selbst bei richtiger und unterstützender
Atmung, nicht mehr mobilisiert werden können, ein Gefühl der absoluten Leere
sind Warnzeichen, die uns beim körperlichen Training darauf hinweisen können,
dass eine Pause besser ist als eine weitere Wiederholung.
Die Krux
Der Körper meldet sich meist (zu) früh, der Kopf meist (zu)
spät. Training ist mehr als ein einfaches Wiederholen gut zu meisternder
Herausforderungen. Es bringt uns jedes Mal an die Grenzen (an (!!!) die
Grenzen, nicht darüber hinaus). Der Körper meckert erfahrungsgemäß früh: „Wie?
Nee, das geht nicht. Aua, das tut weh! Ui, da muss ich ja schnaufen. PAUSE!“
Dazu kommt dann manchmal noch der Kopf, der einem den Spaß
an der Sache verdirbt, weil man etwas (noch) nicht kann. Und ganz schnell ruft
die Couch und die guten Vorsätze sind dahin, weil es eben nicht reicht, sich
EINMAL in den Hintern zu treten, sondern weil man permanent mit dem inneren
Schweinehund im Gespräch bleiben muss, er will ständig aufs Neue überzeugt
werden.
Missempfindungen
Beim Kopf ist das ein wenig anders. Man lächelt, obwohl einem
nicht danach zumute ist. Man reduziert einen Preis, man geht auf die Wünsche
anderer ein. Warum eigentlich? Weil es eben (zunächst) nicht mit direkten
körperlichen Schmerzen verbunden ist, die uns mahnen, dass es weh tut. Je länger
man das über das eigene Wohlfühlmaß hinaus praktiziert, umso höher die
Wahrscheinlichkeit, dass das dumpfe Missempfinden des Geistes sich einen
körperlichen Ausdruck sucht (Tinnitus, Hautprobleme, Abwehrschwäche). Kopf und
Körper lassen sich eben nicht trennen. Ganzheitlich ist das Zauberwort. Im
Sport, im Training, aber auch im Umgang mit anderen Menschen. Wie sieht das
Endergebnis aus? Bin ich stolz auf mich, wenn ich eine weitere Wiederholung geschafft
habe, weil ich meinen Körper durch das Training des eigenen Körpergefühls
kennengelernt habe und beständig mit ihm verhandle oder riskiere ich
Verletzungen? Diese Frage lässt sich nahezu 1 zu 1 auf die geistige Ebene
übertragen: Bin ich froh, auf die Wünsche anderer eingegangen zu sein, weil es
mich mit einem guten Gefühl zurücklässt, mir selbst also auch Freude bereitet
hat oder fühle ich mich dann nur leer und ausgelaugt und weiß nicht, wie ich
die verbrauchten Ressourcen wieder auffüllen soll?
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