Den Nächsten lieben wie sich selbst….




Biblisch? Ethisch? Pathetisch?
Ganz gleich, wie man dieses Gebot auch betrachten möchte, so setzt es doch zunächst einmal einen wesentlichen Punkt voraus: Die Wertschätzung der eigenen Person, die Liebe zur eigenen Person.

Selbstbestimmung, Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, Gleichberechtigung, Wertschätzung, Respekt und Anerkennung. Wir verlangen heute viel von der Gesellschaft und den Menschen, die sie mit uns gemeinsam gestalten. Wir sind auch schnell dabei mit lautem Aufschrei ein Fehlen auch nur einer der oben aufgelisteten Punkte zu quittieren. Wir merken schnell, wenn wir von anderen nicht das bekommen, wovon wir der Meinung sind, dass es uns zustehen würde.

Egoismus und Egozentrik wiederum gelten als Eigenschaften, die mit einer weniger positiven Konnotation versehen sind.

Mal umgekehrt betrachtet


Was aber, wenn wir die Betrachtungsweise einmal ganz bewusst umkehren? Gesunder Egoismus und auch ein gewisses Maß an Egozentrik muss nichts Verwerfliches sein. Schließlich ist man selbst der Mensch, der 24 Stunden am Tag mit sich verbringen muss, ohne Aussicht auf Urlaub.

Wie weit bringen wir uns selbst Respekt entgegen? Respektieren wir ohne Wertung, wenn wir müde sind? Erkennen wir an, dass wir eine Aufgabe nicht erfüllen können, ohne enttäuscht von uns zu sein? Hören wir auf das, was wir selbst benötigen und versuchen wir, dies für uns möglich zu machen, oder funktionieren wir lieber, um den Erwartungen anderer zu entsprechen? Wissen wir, welche Punkte unsere Persönlichkeit ausmachen und sehen wir diese als wertvoll an? Sind wir stolz auf uns, auch wenn es Milliarden von Menschen gibt, die es vielleicht „besser“ könnten?

Oftmals eben nicht. Wir hadern mit den Ergebnissen, die wir vorweisen können. Wir sind enttäuscht von uns, wenn wir nicht noch mehr leisten. Wir wissen nicht, was wir wollen, versuchen aber stets den Wünschen anderer gerecht zu werden.
Den Menschen die wir wirklich lieben, würden wir nicht so begegnen. Wir sind zu uns oft selbst härter als wir es zu den Menschen sind, die einen festen Platz in unserem Herzen haben. Hier verzeihen wir Fehler, sehen ihre Wertigkeit, schätzen sie hoch.

Dann funktioniert es nicht


Gehen wir hypothetisch davon aus, dass es nicht wenigen Menschen so geht, dass sehen wir auch, wo der Hund begraben liegt: Wer sich selbst mit so wenig echter Zuneigung begegnet, der ist auch nicht in der Lage, anderen Wertschätzung, Respekt und Zuneigung entgegenzubringen.
Man kann den Nächsten nur so lieben, wie sich selbst. Dies wiederum setzt echte Liebe zu sich selbst voraus. Eine Liebe die ein festes Fundament des Vertrauens bietet, die Fehler verzeiht und über ab und an auftretende Spinnereien hinweglächelt. Ein Verhalten, welches dem eigenen Ich einen sicheren Hafen bietet, ganz gleich, wie man gerade drauf ist.

Liebe ist nicht Narzissmus


Echte Liebe verzeiht. Echte Liebe möchte, dass der andere wächst. Echte Liebe benötigt Zeit und den Willen, sich auseinandersetzen zu wollen.
Diese Eigenliebe ist heute nicht mehr oft zu finden, der Narzissmus hat ihren Platz eingenommen. Ja, ist das denn nicht das Gleiche? Meiner Meinung nach nicht. Liebe gibt Rückhalt und Entwicklungsmöglichkeiten, Narzissmus ist auf Äußerlichkeiten und Oberflächlichkeit beschränkt.

Und so leben wir in einer Gesellschaft, in der wir nicht selten die Verrohung derselben bemängeln, meinen zu wissen, was wir brauchen und uns narzisstisch in den Mittelpunkt stellen, ohne in der Lage zu sein, uns wirklich lieben zu können. Und dann kann man auch den Nächsten nicht lieben, weil man sich selbst nicht liebt.

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