Alles nur geklaut....

Ich bin doch gar nicht blauäugig

Im alljährlichen Sommerloch treibt mich der Gedanke um, welche meiner Kompetenzen ich nicht (ausreichend) nutze? Schreiben. Texte verfassen, aus wenig Gedanken viele Zeilen machen (falls notwendig) oder auch komplizierte Sachverhalte mittels einfacher Metaphern im wahrsten Sinne des Worte bildlich darstellen, das liegt mir.

Da gibt's doch dieses "Ghostwriting"

Nein, ganz so naiv und blauäugig als dass ich das nicht schon vorher gewusst hätte, bin ich nun doch nicht. So richtig strategisch bin ich aber bisher nicht an die Sache gegangen. Es gab auch keine Notwendigkeit dafür. Google macht's möglich und binnen weniger Sekunden ist das Leid schon überwunden (Sorry, nein - das war eine Textzeile aus dem Song Reime des Rödelheim Hartreim Projekts). Binnen weniger Sekunden findet man also Agenturen, die sich auf die Vermittlung von Ghostwritern spezialisiert haben.

Angemeldet

"Schadet ja nicht", denkt man sich und schwupps ist man registriert. Ein paar Minuten später folgt eine Mail in welcher man darauf aufmerksam gemacht wird, dass bald die ersten Auftragsanfragen eintrudeln werden. Wow, so schnell. Dumm und naiv führt man dieses Vorschussvertrauen auf die eventuell doch durch das Netz überprüfbare Schreibkompetenz zurück und wächst ein paar Millimeter, fühlt sich im Sommerloch schon wieder ein wenig besser, schöpft Hoffnung.

Tatsache

Keine zwei Tage später trudeln die ersten Anfragen ein. Es dauert ein paar Minuten, bis man merkt: Hoppla, das sind alles Anfragen der gleichen Coleur: Bachelorarbeiten.
Ausschließlich.
Gut. Ist ja kein Problem, da geht es bestimmt nur um Formulierungsoptimierungen, das kann man ja verstehen.
Nein. Es geht um die Erstellung ganzer Arbeiten. Und die Abgabefristen bringen das Fass ohne Boden zum Überlaufen. Binnen 2 bis 5 Tagen sollen hier mal 25 bis 50 Seiten geschrieben werden, teilweise mit dem Zusatz "In Harvard Englisch bitte" - oder auch mit dem Kommentar des Auftraggebers "Muss gut werden!".

Vorarbeit

Das (dumme) moralische Gewissen verweigert es einem, sich auch nur näher mit dem Gedanken zu befassen, aber neugierig ist man ja schon. Was müsste ich denn tun? Ganz einfach: ALLES
Ist die Literatur vorhanden? Nein. Gibt es schon entsprechende Kapitel und Rechercheergebnisse, die man "nur" in Worte fassen müsste? Nein.

Mücken und Elefanten

Wer nun denkt, es handle sich um eine vereinzelte Anfrage, der irrt. Binnen einer Woche habe allein ich ca. 20 Anfragen bekommen (und keine angenommen und werde es auch nicht tun).

Hochrechnung

Zum Nachdenken. Ich habe mich bei EINER Agentur eintragen lassen und bin EINE mögliche Ghostwriterin. Ich allein habe  ca. 20 Anfragen bekommen. Wie viele Agenturen gibt es? Wie viele Ghostwriter sind gelistet?
Wer schreibt seine Abschlussarbeiten überhaupt noch selbst?

Haftungsausschluss

Eigentlich selbstverständlich, aber der Vollständigkeit halber möchte ich es erwähnen: Ich behaupte NICHT, dass alle Abschlussarbeiten gekupfert, geklaut, mit Lug und Betrug entstanden sind.
Ich habe mich lediglich über das gewundert, was ich in den letzten paar Tagen selbst erfahren durfte.

Interessante Gesetzeslage

Selbst unser Gesetz ist sich nicht ganz einig, inwieweit das alles rechtens, in Ordnung oder doch strafbar ist und wen es dann betrifft:
https://www.e-recht24.de/artikel/haftunginhalte/8221-ghostwriting-ist-das-strafbar-was-ist-erlaubt.html





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