Wir waren nicht dabei - wir werden nicht dabei sein
"Wir machen auf."
Am 11.
Januar wollten viele Gastronomen und Einzelhändler ungeachtet der Regeln und
Gesetze ihre Türen aufsperren. Ich war mir unsicher, wie ich das finden sollte.
Auf der einen Seite habe ich absoluten Respekt und gucke ein wenig neidisch auf deren Mut und Kampfgeist. Auf der anderen Seite halte ich es für eine (notwendige?) Trotzreaktion. Und man weiß, wie man trotzige Kleinkinder empfindet: Anstrengend. Es ist selten so, dass man die Trotzreaktion eines Kleinkinds als souverän und anerkennenswert erachtet. Viele trotzige Kleinkinder auf einem Haufen machen es da auch nicht besser.
Dann kam der Montag und man hörte nichts. Als ich am Abend ein wenig recherchierte, fand ich die Information, dass die Aktion um eine Woche verschoben worden wäre (also für kommenden Montag, den 18.01.2021 geplant ist). Man müsse ein paar rechtliche Dinge klären und wolle noch mehr "Kunden" mit Aushängen mobilisieren.
Dabei ist die rechtliche Lage klar
Und so fühle ich mich ein klein wenig bestätigt, was meine Gedanken betrifft, die ich VOR dem Start der Aktion (11.01.2021) geschrieben habe.
Und, was stattdessen?
Genau das ist ein weiteres Problem. Kritik zu üben, ohne einen konstruktiven Gegenvorschlag bringen zu können, ist destruktiv, heuchlerisch, negativ und wenig zielführend. Und etwas anderes habe ich im Moment nicht zu bieten.
Feigling. Angsthase
Ja, ich mache aus mehreren Gründen nicht auf. Der eine ist tatsächlich die Angst. Nicht die Angst vor Ansteckung, denn unser Hygienekonzept ist so gut, dass wir auch im letzten Jahr, damals, als wir unter strengen Auflagen noch Menschen in unserem Studio begrüßen durften und mit ihnen trainieren und lachen durften, keinen einzigen Fall hatten.
Es ist die Angst vor Repressalien, die Angst vor der Strafe, die Angst, wenn die Polizei oder das Ordnungsamt vorfährt und ich mich mit den Menschen auseinandersetzen muss.
Es ist die Angst vor der Geldstrafe, die Angst vor der Auseinandersetzung mit den Behörden, die Angst, eventuell das bisschen, was bleibt selbst zu zerstören.
Die lieben Menschen
Unser Studio war für die Personen, die es mögen, immer schon
eine Art Oase. Ein Ort der Ruhe, des Friedens, der Freundlichkeit. Ein Ort, wo
man Sorgen und Nöte, Ängste und Lasten für eine begrenzte Zeit vor der Tür
lassen durfte. Ein Ort, wo die eigene Person wichtig war.
Irgendwie habe ich das Gefühl, das alles würde ich mutwillig zerstören.
Und ja, ich kann durchaus verstehen, wenn man jetzt beim Lesen die Augenbrauen hochzieht und denkt, was denn das jetzt für ein „esoterischem Gewäsch“ sein solle.
Es ist nur ein Gefühl, aber auch mein Bauchgefühl verdient Beachtung und Respekt.
Sichtbare Zeichen
Um ein sichtbares Zeichen zu setzen, welches nicht nur von (gierigen) Medien aufgegriffen wird, sondern am Gewissen der Verantwortlichen rüttelt, braucht es Menschen, die kommen.
Wenn ich denn öffnen würde, dann müssten die Menschen, denen ich bisher eine Oase versucht habe zu offerieren, kommen. Sie müssten also mit mulmigem Gefühl sich der Gefahr aussetzen, wie ein Straftäter behandelt zu werden und hätten mit hohen Bußgeldern zu rechnen. Das will ich nicht.
Unsichtbar
Wir waren für die Behörden bisher unsichtbar. Unsichtbar
dahingehend, dass die Sportstudios keine Lobby haben. Unsichtbar dahingehend,
dass man missachtet, was wir für die Gesundheit der Bevölkerung leisten.
Unsichtbar dahingehend, dass niemand bemerkt hat, dass wir ein Teil der Lösung
sind, nicht des Problems.
Mit dieser Aktion würden wir definitiv sichtbar werden. Teuer erkauft und wahrscheinlich sinnlos. 15 minutes of fame?
Und klein beigeben ist dann die Lösung?
Sicherlich nicht. Tatsächlich habe ich nur noch begrenzte
Ressourcen. In allen Belangen. Und diese Ressourcen sind wie Wasser für einen
Verdurstenden. Ich kann es wegschütten oder ich kann hoffen, mit der letzten
Ration so weit zu kommen, bis ich an eine lichte Quelle gelange, an eine Oase
in der Wüste. Aber vielleicht bin ich einfach auch zu schwach, zu wenig
kämpferisch, zu klein…
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