Instrumentalisierte Manipulation - Die neue Macht der Beeinflussung


Vor nicht allzu langer Zeit dachte ich auch erst an eine neue Grippewelle, als mir das moderne Wort für Beeinflusser (Manipulator?) noch nicht geläufig war. Heute ist einem der Begriff des „Influencers“ natürlich geläufig und zudem scheint es gleichermaßen etwas sehr Erstrebenswertes zu sein.

Werbung durch die Hintertür

Wir sind vorsichtig geworden, wenn es darum geht, Werbebotschaften Glauben zu schenken. Dass hier in der Mehrzahl der Fälle Behauptungen aufgestellt werden, die der Realität nicht standhalten, damit haben wir uns abgefunden. Keiner glaubt mehr, dass ein Waschmittel reiner als rein, weißer als weiß wäscht, kaum jemand, der sich schon einmal ernsthaft mit dem Versuch, Gewohnheiten zu verändern auseinandergesetzt hat, vertraut einem Trainingsprogramm welches verspricht mit 2x20 Minuten pro Woche den ultimativ gestählten Traumbody zu erreichen.
Wenn uns allerdings jemand, den wir kennen, dem wir vertrauen, den wir mögen, etwas – vielleicht sogar schon als eine Art „Geheimtipp“ empfiehlt, horchen wir auf. Jemand der uns mag und den wir mögen, der würde uns doch keine Lügen erzählen, oder?
Und hier setzt das Influencer-Business an. Per se gar nicht schlecht, wenn die ganzen Empfehlungen authentisch wären.

Das Pferd von hinten aufzäumen

Allerdings kann man als Influencer Geld verdienen, wenn man es geschickt anstellt und somit wird fast jeder Mensch käuflich. Ist doch nichts dabei, wenn ich diesen Shake, diese Marke, diese Creme, dieses – ach egal – empfehle. Tut doch niemandem weh.
Ob man davon wirklich überzeugt ist, ob man das Produkt empfiehlt aus der Überzeugung, damit den Freunden (heute Followern) etwas Gutes zu tun, wird nebensächlich.

Die instrumentalisierte Selbstinszenierung

Außerdem fühlt man sich als Influencer wichtig. Man bekommt Bestätigung der Marke, sammelt Follower, bekommt Kommentare und Feedback und ist (endlich mal) wer.
Je mehr, desto besser.

Wie du mir, so ich Dir – ein Gehirn wäscht das andere

Wenn man nicht gleich Like-Zahlen/ Follower kaufen will (der Verdacht liegt bei allen Profilen nahe, die beispielsweise 4-10 Beiträge in 2 Jahren hochgeladen haben, dafür aber 10000 oder mehr Follower besitzen, gleichermaßen aber überschaubare Likezahlen der Beiträge vorweisen können), der nimmt gerne das Angebot „Follower für Follower“ in Anspruch: „Wenn Du mir folgst, dann folge ich Dir auch.“
Auch legitim, wenn auch nicht authentisch. Hier herrscht wieder eine extrinsiche Motivation vor. Man folgt einer Person, um die Zahl der eigenen Follower zu erhöhen. Ein Geschäft.
Sollte man nicht der Person folgen, weil man es einfach möchte und ihre Beiträge interessant findet?

Follower und Like Zahlen – die neue Währung

Ein Account der nicht mindestens über 5000 Follower vorweisen kann, ist uninteressant. Für jeden! Für Marken, die nach Influencern zum Einschleusen ihrer Werbebotschaften suchen ebenso wie für potentielle Follower: „Guck mal, dem/ der folgt ja kaum jemand. Hat’s nicht weit gebracht. Traurige Existenz im social life. Bemitleidenswert.“
Ja, manchmal fühlt man sich schon selbst so.

Die Frage nach dem Warum!

Warum legt man sich einen FB/Insta- sonstigen Account zu. Weil man die Umwelt an seinem Leben teilhaben lassen möchte und sich freut, wenn man Feedback und Likes bekommt. Das ist etwas ganz Normales. Nicht verwerflich und nicht neu. Dass man damit Marketing macht, ist auch klar. Bei „Ein-Mann/Ein-Frau Unternehmen“ ist ja oftmals der geschäftliche Auftritt vom privaten nicht oder kaum zu trennen und man brennt ja für das was man tut. Umso schöner ist es zu sehen, dass es jemand anderem gefällt.
Ist es ein Herzenswunsch, etwas, was man wirklich gerne macht? Oder zählen nur noch die Rückmeldungen? Wir vielleicht etwas, was man selbst gestern noch toll fand, heute zum Rohrkrepierer, weil die Like-Zahlen nicht stimmen?

Geschmackssache

Dann kommt noch der eigene Geschmack dazu. Oftmals versteht man nicht, warum eine Person mehr „Follower“ hat, als man selbst, obwohl man doch qualitativ „hochwertigeren“ Kontent anbietet (siehe oben, gucken, ob die auch echt sind!). Nun, das entscheidet der Richter und Henker der sozialen Medien: Der Follower! Und dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, ist ja schließlich Geschmackssache.

Macht doch jeder

Und schwupps die wupps ertappt man sich bei dem Gedanken, auch mal ein paar Euro zu investieren, damit der eigene Account besser dasteht, auch mal jemandem zu folgen, den man weder mag, noch dessen geistige oder sonstige Ergüsse toll findet. Für das Image. Ist doch nicht schlimm, macht doch jeder.

Alles gefaked

Wer dabei ins Hintertreffen gerät sind die Personen, die den Schuss nicht gehört haben und immer noch naiv die sozialen Medien für das nutzen, wofür sie blauäugig glauben, dass diese gemacht wären: Ich teile, was mich interessiert, ich folge den Personen, die ich kenne/mag, ich empfehle, was ich selbst nutze und gut finde. (Zynismus an) Diese Personen glauben wohl auch noch an den Osterhasen und den Weihnachtsmann (Zynismus aus).
Dass dem so ist erfährt man spätestens, wenn einem Vertreter von großen Printmedien sagen, dass man den sozialen Medien grundsätzlich mal gar nichts glauben kann und dass jedes – in Worten JEDES Bild dort sowieso nur gefaked sei und hier NICHTS echt sei.
Als Inhaber eines „echten“ Accounts ist man dabei erstmal ein wenig konsterniert, merkt aber auch, dass die Authentizität und Echtheit nicht wichtig ist. Gut ist, was die meisten Like-Zahlen hat. Ganz einfach. Punkt.

Freie Entscheidung

Die Frage nach der Grundmotivation bleibt und die Antwort darauf kann sich jeder selbst geben. Keine der Antworten ist dabei zu verurteilen, es ist alles legitim: Was ist mir wichtiger? Die permanente Selbstinszenierung „Wie feiere ich mich heute am besten selbst und welches Accessoire oder welche Marke benötige ich dafür“ – oder der Wunsch, einfach andere an dem teilhaben zu lassen, was einen umtreibt „Pfeif auf Likezahlen“.

Kommentare

Oft gelesen

Oft gelesen